Die Schildkröte und der Junge, der zum Panther wurde

Eine Geschichte über die Begegnung mit dem Fremden und über die Kraft der Langsamkeit gegen das immer auf dem Sprung nach dem uneinnehmbaren Außen sein. Es ist auch eine Geschichte über die Liebe.

Die Erzählung
„Du kannst doch den Panther in dein Schildkrötenhaus reinlassen.“

Eine Schildkröte wird dank ihres Panzers uralt. Wenn sie sich aber in einen Jungen verliebt und quasi aus ihrer Verliebtheit heraus sich bei ihrer Vermenschlichung von ihrem Panzer löst, wird sie sehr verletzlich. Und wenn sich nun der Junge, quasi aus seinem Verliebtsein heraus in seiner wahren Natur als Panther zu erkennen gibt, wird die „Freundschaft“ der beiden auf eine harte Probe gestellt. Die Vegetarierin gegen den Fleischfresser. Groß gegen klein. Zerbrechlichkeit gegen Stärke. Und dazu kommen noch die verschiedenen Sprachen! Können beide trotz ihrer Verschiedenheit zueinander finden, gar miteinander leben?

Hilfreich dabei ist die Langsamkeit, die die Wahrnehmung schärfen, so dass die Sinne die subtilen Feinheiten der Umgebung erfassen. Wegen der Schwere und Behäbigkeit ihres Panzers verkörpert die Schildkröte im besonderen Maße die Eigenschaft der Langsamkeit. Schließlich ist eine Schildkröte langsam. Ganz im Gegensatz dazu steht die Schnelligkeit und Kraft des Panthers.

Doch wie nun Kommunizieren? Anstelle mit Sprache wird mit Tönen, Bildern und Körpern kommuniziert und macht ein lebendiges Zusammenleben, trotz Verschiedenheit in Form, Ausdruck und Kultur, auf inspirierende Weise und mit zu erwartenden Überraschungen möglich. Es gibt zwei Antriebe sich mitzuteilen: Aus Liebe und Neugierde oder aus Angst. Die Wahl liegt beim Betrachter. Oft ist es nur der Schritt zur Seite, der dem Geschehen eine neue Wendung gibt. Die Töne werden für beide die Tür zur Welt des anderen. Denn Töne kennen keine Grenzen, keine Wertung und keine kulturelle Konditionierung. Das Zwitschern der Vögel ist in Deutschland, wie Italien, wie in Suaheli gleich! Sie sind international verständlich, wie auch die klassische Musik zum Beispiel, als da wären „Die lustige Forelle“ von Schubert, „Die Moldau“ von Smetana oder „Papageno“ von Mozart! Alle diese Lieder werden überall auf der Welt gleich gut verstanden und genossen.

Die Geschichte thematisiert das Zusammenleben einer multikulturellen Gesellschaft mithilfe zweier grundverschiedener Tiercharaktere. Bedingt durch die Abstraktion in der Fabel gelingt die Betrachtung aus einem ungewohnten Blickwinkel und ermöglicht aus vorgegebenen Strukturen und Vorurteilen auszusteigen. Das schafft Raum für neue Ideen, für Unerwartetes und Lösungen.

Die Bühne
Schattenspiel und ein Cello

Eine schwarze Bühne, eine weiße Leinwand und ein Stuhl. Ein Blatt Papier gerissen, geschnitten und gefaltet im Schattenspiel. Der Körper als Vehikel und alles was Töne macht. Das Cello ist zugleich Tonträger und Schildkrötenpanzer, auch im metaphorischen Sinn. In der Reduzierung der Mittel wird das wenige groß, erhöht, verdichtet und die Konzentration der Sinne auf das Bühnengeschehen gelenkt.

Work in Progress
Improvisation und Interaktion

Es gibt keinen vorgefertigten Text. Die Grundlage des Textes wird aus Improvisationsarbeit entwickelt. Die Tierarbeit ist für die Schauspieler eine starke Herausforderung. Sie müssen ihren Körper in die physischen Bedingungen des jeweiligen Tieres hinein weich arbeiten, unter anderem in den Schwerpunkt, das Gewicht, die Physiognomie und in dessen Bewegungszentren sich einrichten. Das führt in der Vermenschlichung zu unterschiedlichen lebendigen Charakteren, zu unterschiedlichen „Ich – Anteilen“ beim Schauspieler, die er vorher unter Umständen nicht gekannt hat und die sein Spiel in der einen und in der anderen Rolle authentisch wirken lassen.

Die Einbeziehung des Publikums während des Spiels ist gegeben jedoch nicht zwingend. Das Öffnen der vierten Wand ermöglicht dem Zuschauer einzugreifen und gesehen zu werden. Dabei bleibt der Spielverlauf immer etwas ungewiss und belebt mit der geforderten Spontanität der Schauspieler das Theatergeschehen. Jedoch bestimmt die Interaktion nicht den Ausgang der Geschichte, sondern folgt einer klar festgelegten Struktur.

Die Akteure

Regie: Herbert Fischer
Spiel, Cello und Bühne: Manuela Rademaker

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Schildkröte und Panther